Bach in Arnstadt

„Arnstadt ist wahrscheinlich die schönste unter den Bach-Städten“, schrieb Tilman Sprekelsen zum 250. Todestag des Komponisten im Jahr 2000 in der ZEIT. Und Arnstadt ist auch die Bach-Stadt, die mit der Familie Bach am engsten verbunden ist. Bis heute kann man den Wohn- und Arbeitstätten und Lebensumständen Johann Sebastian Bachs und der verwandten Bache an vielen Stellen des lichten und großzügigen historischen Stadtkerns Arnstadts nachspüren. Besonders erlebnisreich das zu Zeiten der vier mehrtägigen bzw. mehrwöchigen Musikfeste, dem Bach-Festival im März, den Thüringer Bach-Wochen im April/Mai, dem Thüringer Orgelsommer im Juli und dem Bach:Sommer im August.

Herkunft und frühe Jahre
Johann Sebastian Bach wurde 1685 in Eisenach geboren. Sein Vater Johann Ambrosius war dort Stadtpfeifer. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs Sebastian bei seinem seinem Bruder Christoph in Ohrdruf auf. Christoph war Organist an der Michaeliskirche, die zwar über eine neue, baulich aber problematische Orgel verfügte. Spätestens sein Bruder lehrte Sebastian die Orgel zu spielen und gleichzeitig lernte er im immerwährenden Reparaturprozeß viel über die technischen Finessen des Orgelbaus. Seine musikalische Ausbildung setzte sich als Chorschüler an der Michaelisschule fort. Nach einem kurzen Intermezzo als Lakai und Mitglied der Hofkapelle in Weimar, fand Sebastian im Jahr 1703 seine erste Anstellung als Organist in Arnstadt.

Mannigfache Familie
Arnstadt war sicher kein Zufall, denn viele Familienmitglieder hatten hier seit 1613 gelebt und als Musikanten gearbeitet. Bachs Großvater Christoph war hier ab 1654 Stadt- und Hofmusikus, sein Bruder Heinrich war ab 1641 über 50 Jahre Organist an der Ober- und der Unterkirche, wie Liebfrauenkirche auch genannt wurde. Sebastians Vater Ambrosius war bis 1667 in Arnstadt Stadtpfeifer gewesen.

Eine besonders enge Bindung zu der Stadt entstand jedoch dadurch, daß Christoph, der Zwillingsbruder von Sebastians Vater mit seiner Familie zeitlebens als Hof- und Ratsmusiker in Arnstadt blieb. Sebastian Sohn Carl Philipp Emanuel sollte später über deren enge Beziehung schreiben:

„Sie liebten sich aufs äußerste. Sie sahen sich einander so ähnlich, daß so gar ihre Frauen sie nicht unterscheiden konnten. Sprache, Gesinnung, alles war einerley. Auch in der Musik waren sie nicht zu unterscheiden, die spielten einerley, sie dachten ihren Vortrag einerley. Wenn einer krank war, so war es auch der andere. Kurz sie starben bald hintereinander.“

Sebastian weilte wohl von Kindesbeinen an immer mal wieder bei seinem Onkel und dessen Kindern in Arnstadt. Mindestens einmal im Jahr traf sich die große Familie in Erfurt, Eisenach oder Arnstadt.

Freie Organistenstelle
Im Jahr 1703 war der Wiederaufbau der abgebrandten Bonifatiuskirche, nun Neue Kirche, soweit abgeschlossen, daß auch die neue Orgel, gebaut von Johann Friedrich Wender, abgenommen und mit einem neuen Organisten besetzt werden konnte.

Bereits seit 1683 regierte Anton Günther II. die Grafschaften Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Arnstadt. Seine Frau war Auguste Dorothea, eine Tochter des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Anton Ulrich führte einen prächtigen Hof und war ein Liebhaber und Förderer der Wissenschaften, des Theaters und der Musik. Seine Tochter und sein Schwiegersohn eiferten ihm nach. Mit den Höfen in Braunschweig, Dresden, Gotha, Halle , Kassel, Köthen, Leipzig, München, Nürnberg, Prag und Weimar fand ein reger kultureller Austausch statt. Die Hofkapelle war zu dieser Zeit etwa zwanzig Mann stark und brauchte sich z.B. vor der Kapelle in Weimar nicht zu verstecken. Wie wichtig die Familie Bach für die Reputation Anton Günters war, läßt sich daran ermessen, daß dieser 1693  nach dem Tod von Sebastians Onkel Christoph – dem Zwilling und Rats- und Hofmusiker – bei dessen Witwe nachfragte „ob denn kein Bach mehr vorhanden, der sich ümb solch Dienst anmelden wolte, Er solte und müste wieder einen Bachen haben.“

Altbachisches Archiv
In der Familie Bach entwickelten sich Ausnahmemusiker, die ihre Fertigkeiten von Generation zu Generation weitergaben. Das von Ambrosius und Sebastian zusammengestellte
Altbachisches Archiv überliefert einige ihrer Werke. Beispielsweise die Kantate „Ach, dass ich Wassers gnug hätte“; Heinrich oder Johann Christoph Bach zugeschrieben, Vater oder Sohn, der eine Organist an der Oberkirche,der andere erst Organist der Schloßkapelle in Arnstadt und später Organist an der Georgenkirche und Cembalist der Hofkapelle in Eisenach.

Es verwundert jedenfalls nicht, daß der erst 18-jährige Bach erst die neue Orgel abnehmen durfte und in Folge als Organist für die Neue Kirche angestellt wurde. Erstaunlich ist allerdings, daß er vom ersten Tag an deutlich mehr verdiente als sein Vorgänger Andreas Börner und fast genau soviel wie sein erfahrener Kollege Christoph Herthum, ein Schwiegersohn Heinrich Bachs, der für die Oberkirche zuständig war. Andreas Börner war nun Organist für die Unterkirche und Assistent Herthums, bei den gleichen mageren Bezügen wie zuvor. Herthum und Börner waren zudem für mehr Gottesdienste zuständig als Bach.



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Zu den Abbildungen

Signatur unter einen Prüfungsbericht, Leipzig. Hier sieht man die von Bach oft gewählte Unterschrift mit den Doppelpunkten.

Das Düben-Archiv in Uppsala, zusammmengestellt von vier Generationen schwedischer Hofmusiker namens Düben zwischen 1640 und 1726 weist die Kantate „Ach, dass ich Wassers gnug hätte“ als Werk Heinrich Bachs (1615–1692) aus, andere Quellen schreiben es seinem Sohn Johann Christoph (1642–1703) zu.

Johann Ambrosius Bach (1645–1695), Vater von Johann Sebastian Bach auf einem Gemälde von Johann David Herlicius.

Ambrosius Bach, „Wassers gnug“; Johann David Herlicius, Heinrich Bach/Düben Archiv // Wikipedia Comm0ns unter cc-by-sa