Bach:Route

Man sieht nur, was man weiß!
Stadträume lassen sich vielfältig lesen und erleben: Arnstadt ist bereits im Jahr 704 urkundlich erwähnt, doch wirklich greifbare Spuren gibt es aus dieser Zeit nicht mehr. Arnstadt und Umgebung spielten eine große Rolle in der Romanik und Frühgotik, die Stadt ist ein Mittelpunkt der Transromanica. Die Geschichte der Stadt ließe sich auch als Industriegeschichte erzählen, zu erleben bis heute z.B. im historischen Lokschuppen, der Ley-Villa oder in der Kunsthalle Arnstadt, in den Räumen der ehemaligen Daimon Taschenlampen-Fabrik, später Artas.

In der historischen Innenstadt spiegelt sich aber vor allem das barocke Arnstadt: Die Reformation veränderte grundlegend das Bild einer Stadt, deren erste Blüte sich der Christianisierung Mitteldeutschlands und den daraus folgenden frühen und großen Klostergründungen verdankte. In den späten 30er Jahren des 16. Jahrhunderts waren alle Mönche aus der Stadt vertrieben, die herrschenden Schwarzburger hatten sich für den Protestantismus entschieden.

Als Casper Bach zwischen 1620 und 1633 als Stadtpfeifer mit seiner Familie auf den Neideckturm zog, wütete der 30-jährige Krieg, der von 1618 bis 1648 dauerte. Mit dessen Ende, zum Teil sogar noch während des Krieges, begannen die Schwarzburger und die reicheren Arnstädter Bürger mit der barocken Prachtentfaltung – wirkliche Pracht und Camouflage.

Burkhard Röhl, Bildhauer und Kalk-Polier – wie man die Stukkateure seinerzeit nannte – schuf für die Oberkirche, die Kirche der Grafen, 1625 die Kanzel, 1639 den prächtigen Taufstein und 1642 schließlich den etwas überdimensionierten, im Detail wunderbar gearbeiteten Altar. Die Bürger wiederum verputzten zu dieser Zeit ihre zum Teil durchaus reich verzierten Fachwerkhäuser, denn Häuser, die wie aus Stein wirkten, suggerierten Wohlstand.

Ein verheerender Stadtbrand im Jahr 1581 wirkte bis ins späte 17. Jahrhundert nach. Der Wiederaufbau der Bonifatiuskirche, heute Bachkirche, fand erst zwischen 1676 und 1683 statt. Als Johann Sebastian Bach 1703 nach Arnstadt kam, war die neue Orgel gerade erst fertiggestellt.

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Arnstadt Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä. von 1650Schloßgarten mit Neideck_Ausschnitt_Wolf Kelner 1579_Schlossmuseum
Neideck und Schloßgarten
Währed der Jahre, in denen Johann Sebastian Bach in Arnstadt arbeitete, war die Neideck das Stadtschloß. Als Burg der Äbte von Hersfeld 1273 erstmals urkundlich erwähnt, baute Graf Günther der Streitbare, 1553 bis 1655 die Anlage in ein vierflügeliges Renaissance-Wasserschloß aus. Günther war verheiratet mit Katharina von Nassau, einer Schwester Wilhelms I. von Oranien. Günther diente diesem viele Jahre, während derer das Paar in den Niederlande lebte.

Gleichzeitig mit dem Umbau ließen Günther und Katharina auch den Schloßgarten unter Beteiligung niederländischer Gartenbaumeister neu gestalten. So entstand einer der größten und bedeutendsten Renaissancegärten nördlich der Alpen.

Graf Anton Günther II., Johann Sebastians Bach höchster Dienstherr, unterhielt eine Hofkapelle von etwa zwanzig Mann. Damit war sie in Größe und Bedeutung mit der am Weimarer Hof vergleichbar. Es gibt nur indrekte Hinweise darauf, daß Sebastian in Arnstadt zu Hofe gespielt hat. Aber nach den einschlägigen Erfahrungen in Weimar, dem guten Rufe in dem die Bache zu Hofe standen, der Vielseitigkeit als Claviervirtuose und auf anderen Instrumenten, hält es der Bach-Biograph Christoph Wolff für recht wahrscheinlich, daß auch Sebastian für den Fürsten im Schloß spielte.

Außer Frage steht, daß viele andere Bache hier gefragte Hofmusici waren. Allen voran Caspar Bach (um 1578 in Wechmar(?)–1640), der von 1620–1633 als Hausmann bzw. Türmer und Musiker mit seiner Familie auf dem Neideckturm wohnte. Als Hofmusiker blies er Dulzian, eine Frühform des Fagotts. 1633 wurde ihm das Bürgerrecht verliehen und 1635 siedelten er und seine Familie in die Jakobsgasse im Norden des Rieds. Auch diese bescheidene Wohnstätte ist heute noch erhalten, eine Gedenktafel erinnert an den ersten Arnstädter Bach.

Vier seiner Söhne waren ebenfalls Hofmusiker zu Arnstadt. Weiterhin Christoph Bach, der Großvater von Joh: Seb: Bach und dessen Sohn und Zwillingsbruder von Sebastians Vater – ebenfalls Christoph mit Namen. Wie wichtig die Familie Bach für die Hofkapelle war – und damit für die Reputation der Schwarzburger und der Stadt – läßt sich daran ermessen, daß Anton Günther 1693 nach dem Tod von eben diesem Christoph bei dessen Witwe nachfragte “ob denn kein Bach mehr vorhanden, der sich ümb solch Dienst anmelden wolte, Er solte und müste wieder einen Bachen haben.”

Nach dem Tod Anton Günthers 1717 verfiel das Schloß zusehends, der Schloßgarten wurde mehrfach umgestaltet. Er ist trotzdem bis heute mit seinem vielfältigen und alten Baumbestand ein imposantes Beispiel höfischer (Renaissance-)Gartenkunst und mit seinem Spielplatz, dem Theater, dem Theatercafè und seinen weitläufigen Grünflächen ein wichtiger Erholungsort und Anziehungspunkt der Stadt. Im ehemaligen Gärtnerhaus findet sich ein informatives und sehenswertes Stadtmodell. Es stellt den Stadtkern um 1740 dar, als die alte Residenz Neideck noch stand, das Neue Palais aber schon weitgehend fertiggestellt war: Es zeigt Arnstadt in etwa so, wie Bach die Stadt erlebte – und wie sie im Mon Plaisir dargestellt ist.

Der 65 m hohe Schloßturm wurde 1998/99 mit der tatkräftigen Unterstützung des Schloßruine Neideck e.V. saniert, ist zu besichtigen und bietet einen schönen Rundblick über die Stadt.

Ebenfalls auf Initiative des Vereins wurden in den letzten Jahren Mauerreste, Fundamente und Kellergewölbe der Ruine gesichert und saniert und eine Reihe von Modellen wichtiger Gebäude der Stadt erstellt und nun innerhalb der Ruine ausgestellt.

Öffnungszeiten Neideckturm und Ruine
Ritterstraße 14
Mo bis Do 10–15.30 Uhr
Sa und So 14–16 Uhr
während der Wintermonate geschlossen
Öffnungszeiten Gärtnerhaus/Stadtmodell
Mo bis Do. 10–14 Uhr
Fr 10–12 Uhr
Sa und So 14–16 Uhr
Telefon 0 36 28 58 09 20

Neideckturm
Schlossmuseum | Puppenkabinett Mon Plaisir
Das Vergnügen der Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt (1666–1751), der Frau Anton Günthers II., war ab 1697 über einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren das Puppenkabinett „Mon Plaisir„.
Auguste Dorothea war eine Tochter des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. Anton Ulrich führte einen prächtigen Hof und war ein großer Liebhaber und Förderer der Kunst und der Wissenschaften.

Seine Tochter und sein Schwiegersohn eiferten ihm nach. Eine besondere Leidenschaft zu Hofe waren in dieser Zeit die Kunst- und Wunderkammern. Diese bunten Sammlungen der Spätrenaissance und des Barock entwickelten sich aus Raritäten- oder Kuriositätenkabinetten. Sie präsentieren Objekte unterschiedlicher Herkunft und Bestimmung gemeinsam in einer Ausstellung: Naturalien, wie Korallen oder Tierpräparate fanden dort genau so ihren Platz wie Goldschmiedearbeiten, Glas, chinesisches Porzellan, Münzen oder Miniaturen.

Anton Günther hatte eine Vorliebe für Münzen, seine Frau schuf sich eine barocke Miniaturwelt. Diese zeigt den Handwerker- und Bürgeralltag ebenso wie höfische Szene. Wir sehen detailliert die Facetten einer Residenzstadt zu Johann Sebastians Bach Lebzeiten: Die Hofkapelle darf natürlich nicht fehlen. So und so ähnlich darf man sich seine Lebensumstände in Arnstadt, in Weimar und in Köthen vorstellen: von der liebevoll gearbeiteten Kleidung, über das Alltagsgerät, Steingut und Porzellan, Möbel und Tapisserie.

Adresse und Öffnungszeiten
Schlossmuseum | Mon Plaisir
Schloßplatz 1
Telefon 03628_602932
Montags geschloßen, 24. und 31. Dezember geschlossen
Di bis So 9.30 – 16.30 Uhr

Der letzte Einlaß erfolgt eine halbe Stunde vor Schließung
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GräfinMusiker
Schlossmuseum | Bachausstellung
Zur 1300 Jahrfeier eröffnete 2004 im Haus zum Palmbaum am Markt die neue Bachausstellung. Das Prunkstück dieser Ausstellung ist der originale Spieltisch der Wender-Orgel, an dem Joh:Seb:Bach fast vier Jahre lang spielte. Ergänzt wurde die Ausstellung durch eine Musikinstrumenten-Sammlung, Autographen und einer Reihe von Hörbeispielen bzw. einen Film über die Wender-Orgel. Um der expandierenden Musikschule am Markt mehr Platz zu schaffen, zog die Ausstellung 2009 in das Schlossmuseum um. Durch neue Exponate ergänzt, multimedial dargeboten und mit einem größeren Augenmerk auch auf die anderen Bache ist sie neben der Wenderorgel in der Bachkirche einer der wichtigsten Anlaufpunkte der Bach:Route.

Adresse und Öffnungszeiten
Schlossmuseum | Bachausstellung
Schloßplatz 1
Telefon 03628_602932
Montags geschloßen, 24. und 31. Dezember geschlossen
Di bis So 9.30 – 16.30 Uhr
Der letzte Einlaß erfolgt eine halbe Stunde vor Schließung.

Bachmuseum_Spieltisch
Historischer Stadtkern
Warum fühlt man sich in manchen Stadträumen besonders wohl? Eine wertvolle Bausubstanz, die liebevoll und gut saniert wurde, stehen sicher an vorderster Stelle. Für Arnstadt heißt das: wenige Kriegsschäden, eine weitgehende „Konservierung“ während der Zeit der DDR und enorme individuelle und öffentliche bauliche Anstrengungen in den letzten 20 Jahren lassen die Fülle der Baudenkmäler aus neun Jahrhunderten heute in altem/neuem Glanz erstrahlen.

Die Anmut der Stadt verdankt sich aber auch einer subtileren Wirkung, die der mittelalterlichen Topografie: Arnstadt entwickelte sich im Mittelalter rasant zu einem großen Marktflecken. In dessen Folge entstanden neben dem großen Marktplatz im Zentrum der Stadt, viele große, kleinere und kleine (Markt-)Plätze: das Ried, als Ausspannplatz, an das sich der Dielenmarkt Thielen margkt, der Holz-, Leder-, Kohlen – und Wollmarkt anschloßen. Unterhalb der Bachkirche am Ende der Erfurter Straße dann der Hopfenmarkt, rund um den 1428 erstmalig erwähnten Hopfenbrunnen. Rund um die Bachkirche befanden sich u.a. noch der Schweins- und der Töpfermarkt. Der bereits 1347 erstmals erwähnte Salzmarkt lag östlich des Brunnens vor der Barfüßer- bzw. Oberkirche. Die so entstandene offene und lichte Stadtanlage, die sich zudem sehr abwechslungsreich den Berg der Alteburg hochzieht, machen den besonderen Reiz Arnstadts aus.

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Bachkirche | Neue Kirche
Der gotische Vorgängerbau, ersterwähnt im Jahr 1333, brannte beim großen Stadtbrand 1581 ab. In den Jahren 1676 bis 1683 ermöglichte ein Legat der Gräfin Sophia Dorothea von Schwarzburg den Wiederaufbau. Auf einen Turm wurde aus Kostengründen verzichtet. Und erst 1699 – 16 Jahre nach Weihe der Kirche – ermöglichte eine Spende des Kaufmanns Wilhelm Magen eine neue Orgel in Auftrag zu geben. Als Orgelbauer empfahl sich Johann Friedrich Wender aus Mühlhausen. In dem original erhaltenen Vertrag aus dem Jahr 1699 wird ein Instrument mit 21 klingenden Registern, drei Nebenregistern, zwei Manualen und Pedal. Bemerkenswert war die von aller Lehre abweichende Disposition: in keinem Manual ein 2′-Register.
Im Jahr 1703 nahm der gerade 18-jährige Joh:Seb:Bach die neue Orgel ab und spielte sie für vier Jahre. Man darf annehmen, daß dieses Instrument Bachs Verständnis für den typischen Thüringer Orgelklang wesentlich prägte. Nach Sebastians Weggang aus Arnstadt 1707, übernahm sein Vetter Ernst das Organistenamt an der Neuen Kirche. Das barocke Klangideal – hell und klar – ersetzte Mitte des 19. Jahrhunderts die frühromantische Klangvorstellung: grundtöniger angelegt und auf stärkere Lautstärke und stufenloses Crescendieren ausgelegt.

Die Wender-Orgel wurde von mehreren Orgelbauern auf 55 Register erweitert, das Instrument wurde schwergängig und machte nicht mehr viel Freude. Doch wurde bei all den Umbauten viel Ursprüngliches weiterverwendet: Der Prospekt wurde verändert, aber in der Substanz bewahrt, viele Pfeifen wurden in die neue Disposition übernommen und dadurch für die Nachwelt erhalten. Die Spielanlage wurde ausgebaut und zunächst in eine kleine Chororgel eingebaut. So erhielten sich die originalen Klaviaturen, die Orgelbank und die Registerzüge. Zu sehen sind diese heute in der Bachausstellung.

1913 endete der ständige Ärger mit der Orgel. Die Firma Steinmeyer aus Oettingen lieferte eine neue romantische Orgel. Wieder blieb die historisch Substanz erhalten. Alle Register aus der Wender-Orgel von 1703 wurden auf dem Namensschild mit B für Bachregister gekennzeichnet. Der Prospekt wurde abermals verändert, doch seine Grundzüge blieben weiterhin erkennbar.

Im Jahr 1981 trat dann Gottfried Preller sein Organistenamt an der Kirche an und erlebte den technischen Verfall der Steinmeyer-Orgel. 1985 stand mit Bachs 300. Geburtstag ein bedeutendes Bachjahr ins Haus – mit einer defekten Orgel in der Bachkirche. Alle Versuche die Orgel zu sanieren scheiterten.

Nach der Wende eröffneten sich neue Perspektiven, die Preller mit Engagement und Fortune nutzte: Das nächste Bachjahr 2000 im Blick – dem 250. Todesjahr – entwickelte er den Ehrgeiz die romantische Steinmeyer-Orgel zu erhalten und gleichzeitig die konsequente Rekonstruktion der Wender-Orgel zu realisieren. Schließlich gelang es ihm alle Beteiligten für dieses Mammutprojekt zu begeistern und die notwendigen Mittel zu akquieriren.

1997 begann die Orgelbauwerkstätte Otto Hoffmann aus Ostheim /Rhön der Rekonstruktion. Tiefes historisches Verständnis gepaart mit großem handwerklichen Können ließ an der der ersten Arbeitsstelle Bachs seine Orgel wieder entstehen. Parallel wurde die Steinmeyer-Orgel aufgearbeitet. Die Instrumente kamen übereinander vor der Westwand zur Aufstellung: die Steinmeyer-Orgel ist fast unsichtbar, die Wender-Orgel strahlt wieder in barocker Schönheit.

Die ursprüngliche Tonhöhe wurde an den historischen Pfeifen gefunden und mit 465 Hz an a1 des Principal 8′ festgelegt. Die Stimmung ergab sich am originalen Register Gemshorn 8′. Sie ist ungleichstufig temperiert. Die Tonarten H-Dur, Cis-Dur, Fis-Dur und Gis-Dur sind brauchbar, haben aber deutliche Schwebungen.

Die vier historischen Keilbälge über der Orgel auf dem Kirchenboden werden nun wieder per Fuß aufgezogen. Nur zu Übungszwecken und in den Gottesdiensten kommt ein vorhandener Motor zur Winderzeugung zum Einsatz. Während Konzerten jedoch wird die Orgel mit getretenem Wind gespielt, was seinen besonderen historischen und musikalischen Reiz hat.

Öffnungszeiten Bachkirche
Mo bis Sa 10.00 bis 16.00 Uhr
So nach den Gottesdiensten bis 15.30 Uhr
Kontakt Stadtkirchenamt
Telefon: 03628_740960
stadtkirchenamt@kirche-arnstadt.de
Orgelführungen nach Absprache

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Bachdenkmal
Es ist das bekannte Porträt von Elias Gottlob Haußmann (1695–1774) von 1746 das das Bach-Bild am meisten prägt: ein Mann von 61 Jahren, streng oder zumindest nicht besonders gutlaunig, vielleicht auch etwas enttäuscht.Nicht weniger wird das Bach-Bild geprägt durch das 1895 entstandene Bach-Denkmal Carl Seffners (1867–1932), das seiner Entstehungszeit entsprechend monumental und Ehrfurcht gebietend gearbeitet ist.

Ganz anders das Denkmal des jungen Bachs auf dem Markt in Arnstadt. Hier sitzt ein junger,agil und beweglich wirkender junger Mann mit Blick auf Rathaus und Bachkirche. Der Bildhauer Bernd Göbel aus Halle hat ihn zum Bachjahr 1985 geschaffen: körperlich fast aufreizend präsent und deutlich im Aufbruch. Bach war 18 Jahre alt, als er in Arnstadt als Organist angestellt wurde. Sein ungewöhnlich hohes Salär zeigt, daß seine Arbeitgeber sein Ausnahmetalent kannten. Womit sie wohl nicht gerechnet hatten, der junge Sebastian war so ungestüm und wißbegierig, daß er unbedingt von Dieterich Buxtehude (um 1637 – 1707), dem Großmeister an der Orgel von St. Marien in Lübeck lernen wollte. So machte sich Sebastian im Oktober 1705 zu einer Bildungsreise in das über 400 Kilometer entfernte Lübeck auf. Ihm waren zu diesem Zwecke vier Wochen Urlaub gewährt worden, es wurde Januar bis Sebastian wieder nach Arnstadt zurückkehrte. Er hatte seine Reise eigenmächtig verlängert. Sein Vetter Johann Ernst, der 1707 auch sein Nachfolger werden sollte, hatte ihn derweil vertreten.

Diesen Sebastian, abmarschbereit auf einen Grenzstein sitzend, die Hände zum imaginären Orgelspiel erhoben, hatte Göbel wohl im Auge, als er seine Skulptur schuf. Er öffnet dem Betrachter die Welt des jungen Bachs, die sich so sehr von der des späteren Thomaskantors unterschied: noch bestimmen Sturm und Drang und Wanderjahre sein Leben.

Der Arnstädter Bach, der junge, wilde, auch widespenstige Bach, erzählt von diesem Lebensabschnitt und regt an, Leben und Werk aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Bernd Göbels Denkmal ist ein lebhafter und gewitzter Gegenentwurf zu Carl Seffners respekterheischenden und wenig lebenslustiger Darstellung.

Zu Besuch im Atelier Bernd Göbels im Vorfeld des 25. Jubiläums des Bachdenkmals 2010

Oberkirche
Die Oberkirche ist mit dem Leben zweier Bache eng verbunden: Heinrich Bach (1615–1692), geboren im Bachstammort Wechmar, begründete die Arnstädter Bach-Linie. Heinrich war von 1640 bis zu seinem Tode Organist an der Oberkirche – insgesamt 52 Jahre. Und der zweite Bach an der Orgel der Oberkirche war Johann Ernst (1683–1739). Er war ein Sohn des Zwillingsbruders von Sebastians Vater. Er ging mit Sebastian in Ohrdruf zur Schule und vetrat diesen an der Orgel in der Neuen Kirche während dessen überlangen Reise nach Lübeck.
Im Jahr 1707 wurde er dann Sebastians Nachfolger an der Neuen Kirche. Ab 1728 war er bis zu seinem Tod Organist an der Ober- und Unterkirche, wie die Liebfrauenkirche auch genannt wurde.

Die Oberkirche in Arnstadt ist ein schlichter, einschiffiger Bau eines Franziskanerklosters aus dem 13. Jahrhundert, auf einer Anhöhe am südlichen Rand der Arnstädter Altstadt errichtet. Der Innenraum mißt 60 auf 12 Meter, die Decke ist als Holztonne ausgeführt und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Die Kirche war ursprünglich turmlos, im 15. Jahrhundert wurde der Turm errichtet, der seitdem die 60 cm überhängende, mächtige Nordwand des Gebäudes abstützt. Teile des Kreuzganges sind noch erhalten, jedoch sanierungsbedürftig.

Der Innenraum ist vor allem durch den großen frühbarocken Altar, das Taufbecken, die Fürstenstände und die Emporen geprägt, welche allesamt aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhundert stammen. Zahlreiche Gemälde aus derselben Zeit zeigen biblische Szenen und schmücken die Ballustraden der Emporen.

Der ursprüngliche, als Tryptichon und Klappaltar ausgeführte Altar der Franziskaner steht seit dieser Zeit in der Arnstädter Liebfrauenkirche.

In der Oberkirche ist die Spätromanik eines Franziskanerklosters noch ebenso spürbar wie das Jahrhundert nach der Reformation. Daß die Kirche im wesentlichen seit dem 18. Jahrhundert nicht umgestaltet wurde, verleiht ihr eine besondere Authentizität.

Die Oberkirche mit ihrer außergewöhnlichen guten Akustik ist einer der Aufführungsorte des Bach:Sommers unter Leitung von Joshua Rifkin.

Öffnungzeiten Oberkirche
ganzjährig Samstag und Sonntag
11 Uhr bis 15 Uhr
Vielseitiges Veranstaltungsprogramm

Oberkirche Altar von Burkhard Röhl

Oberkirche | Klausurgebäude
Etwa 60 Jahre nach Vertreibung der Franziskaner aus ihrem Kloster wurde 1585 das Klausurgebäude zur städtischen Lateinschule bzw. Lyceum.

Für die sieben Klassen der Schule standen nur vier Unterrichtsräume zur Verfügung. So wurden zwei Klassen in einem Zimmer gleichzeitig unterrichtet. Nur die Prima hatte ein eigenes Klassenzimmer. Die Primaner waren 17 bis 20 Jahre alt; zuweilen gab es auch noch ältere Schüler.

Die Schüler kamen nicht nur aus Arnstadt und Umgebung, sondern auch von weiter her. Unter den auswärtigen Schülern waren im 17. Jahrhundert auch fahrende Schüler, Vaganten genannt, die mit Mantel und Degen von einer Schule zur anderen zogen.

Sie lebten von der Mildtätigkeit in den der Städten, unterrichteten die Kinder ihrer Hauswirte und halfen bei häuslichen Arbeiten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts/Anfang des 18. Jahrhunderts, als das Schulwesen allenthalben besser wurde, nahm die Zahl der fahrenden Schüler ab. Irgendwann gab es sie dann nicht mehr.

Großzügige Stiftungen erleichterten den ärmeren Schülern den Besuch der Schule. Doch auch durch Singen verdienten sich viele Schüler einen Teil ihres Unterhalts, bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, beim Neujahrs- und Heilige-Drei-Königs-Singen als Angehörige der Kurrende, des laufenden Chores.

Laut Vertrag gehörte es nicht zu Joh:Seb:Bachs Aufgaben den Chor zu unterrichten, er wurde jedoch damit betraut. Und so leitete der knapp oder gerade zwanzigjährige Bach einen Chor mit Schülern, die zum Teil älter waren als er. Und so kommt es zum Kräftemessen: Sechs Primaner lauern  Bach mitten in der Nacht auf und bedrohen ihn mit Knüppeln. Ihr Anführer der 23-jährige Johann Heinrich Geyersbach möchte sich für das Schimpfwort „Zippelfagottist“ rächen, das der unzufriedene Chorleiter dem Störenfried verpasst hatte. Bach wohl auf dem Rückweg vom Hof, zückt den zu seiner Hoftracht gehörigen Degen und geht auf die Burschen los. Die Sache geht glimpflich aus, die Schüler fliehen und Bach erstattet Anzeige.

Die Frage der Chorleitung blieb während Bachs Arnstädter Zeit ein stetiger Anlaß der Unzufriedenheit.

Klausurgebäude des Franziskanerkloster_ehemals Lyceum
Unter- oder Liebfrauenkirche
Text folgt in Kürze
Liebfrauenkirche
Bachhaus Arnstadt
Arnstadt besitzt mit dem Haus Kohlgasse 7 eine der bedeutendsten Wohnstätten der Familie Bach. In keiner anderen Bachstadt in Deutschland ist ein Haus erhalten, daß unmittelbar mit Johann Sebastian Bach in Verbindung steht. Hier ging er ein und aus, wahrscheinlich hat er hier sogar – zumindest zeitweise – gewohnt. Das Vorderhaus des Anwesens wurde nach dem großen Stadtbrand 1581 errichtet. In einem Alimentationsvertrag vererbte die Weißbäckerswitwe Elisabeth Kannewurfin, der dieses Grundstück vor 1687 gehörte, das Haus mit einigen Äckern dem Hofmusikus Johann Christoph Bach, dem Zwillingsbruder von Johann Sebastian Bachs Vater. Als der junge J.S. Bach 18-jährig nach Arnstadt kam, war sein Onkel bereits verstorben. Und in dem dem Haus wohnten noch seine Tante Maria Elisabeth Bach mit ihren Kindern, darunter Johann Ernst Bach. Mit diesem verband Johann Sebastian nicht nur enge Verwandtschaft, sondern schon seit gemeinsamen Schulzeizen in Ohrdruf auch gute Freundschaft. Der Vetter war es auch, der J.S. Bach an der Neuen Kirche vertrat, als dieser in Lübeck weilte und schließlich Sebastians Nachfolger wurde. Das Haus war 45 Jahre in Besitz der Familie Bach und Treffpunkt für deren Angehörige. Heute stehen Teile des Hauses der Öffentlichkeit offen, eine kleine Sammlung zeigt die Zusammenhänge der Bache in Arnstadt.

Öffnungszeiten
Kohlgasse 7
jeden Dienstag von 14 Uhr bis 17 Uhr
jeden Donnerstag von 10.00 Uhr bis 12.00
und nach telefonischer Vereinbarung
Dr. Peter Damaschke Tel. 036200 70 579

Bachhaus

Musikschule im Haus zum schwarzen Löwen
Das Haus Zum schwarzen Löwen erbaute 1576 der Waidhändler und Bürgermeister Erasmus Kilian. Das beeindruckende Renaissance-Gebäude bildet zusammen mit dem Haus Zum Palmbaum und dem Rathaus die prächtige Fassade der Nordseite des Marktes. Sehenswert sind das Renaissance-Portal mit mit mächtigen Rustikaquadern und dem charakteristischen Giebel und der liebevoll restaurierte barocke Festsaal im zweiten Obergeschoss. Im Rahmen der Sanierung wurde der ehrwürdige historische Charakter des Gebäudes um ein großzügiges, lichtes, modernes Treppenhaus ergänzt. Dadurchsind schöne Durchblicke und eine besonders reizvolle Atmosphäre entstanden.

Diese Umbaumaßnahmen wurden 1995 für die Musikschule Arnstadt-Ilmenau getätigt. Viele junge Arnstädter und Kids aus den umliegenden Gemeinden lernen hier lustvoll und begeistert ein Instrument. Viele von ihnen sind immer wieder bei Wettbewerben, wie Jugend musiziert höchst erfolgreich. Und auch die langweiligsten Veranstaltungen von Stadt und Kreis werden durch die unermüdliche, abwechslungsreiche und engagierte Begleitung der Musikschüler zu kurzweiligen Erlebnissen. Höhepunkte des Veranstaltungskalenders sind vielfältige Konzerte im eigenen Haus, in der Bachkirche oder in der Traukirche in Dornheim: Lebendiger Bach!

Musikschule_1

St. Georg- und später auch St. Jacobs-Stift, das sogenannte Spittel
Das Spittel gehört wohl zu den ältesten noch erhaltenen Baudenkmalen der über 1300jährigen Stadt. Seine urkundliche Ersterwähnung findet es 1379. Es ist eines der letzten erhaltenen Hospitalgebäude in Thüringen. In seiner fast 600 jährigen Baugeschichte haben an diesem Haus viele Generationen ihre Spuren hinterlassen, an- und umgebaut, abgebrochen, aufgestockt und umgenutzt.

St. Georg, im Gegensatz zu St. Jacob auch das reiche Stift genannt, war eine Stiftung wohlhabender Bürger. Das Hospital verwaltete Stipendien, Legate, verlieh Gelder und gab Zuschüsse zu Besoldungen. So erhielt Joh: Seb: Bach 1704 einen Großteil seines Salärs vom St. Georgsstift.

Hier lassen sich Parallelen aufzeigen zu den Scuole grandi Venedigs, ebenfalls Stiftungen wohlhabender Bürger, die sich karitativen und geistlich-kulturellen Aufgaben widmeten – aber auch ihre politsche Bedeutung für die Stadt demonstrierten.

Bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein basierte die Existenz des Gebäudes auf dieser Stiftung. Im Rahmen der Wende wurde diese abgewickelt. Das Kuratorium zur Sicherung der Interessen des Vereinigten St. Georgs- und St. Jacobs Stift e.V. hat sich zumindest die Sicherung des Gebäudes und eine weitere Nutzung in Verlängerung der Traditionen der Stiftung zum Ziel gesetzt.

Große Teile des Gebäudes stehen momentan leer. Ein klassizistischer Versammlungssaal wird von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche als Kirchenraum genutzt.


Ziele in der Umgebung
Dornheim
Gut zwei Kilometer vor den Toren Arnstadts liegt das Dorf Dornheim. Es ist auch heute noch schön und bequem zu Fuß zu erreichen: vom Fischtor im Westen des Schloßgartens über einen Weg, der hinter dem Neuen Friedhof beginnt. Über die Stoppelfelder zog am 17.10.1707 eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft: Johann Sebastian und Maria Barbara Bach machten sich auf zu heiraten. Maria Barbara war eine Cousine zweiten Grades Johann Sebastians. Ihr Vater Michael Bach war ein Sohn Heinrich Bachs und ein Vetter von J.S. Vater Ambrosius. J.S. und Maria Barbara hatten sich in Arnstadt lieben gelernt. Sebastian hatte aber zur Zeit der Hochzeit schon eine Anstellung in Mühlhausen.
Die Wahl der Kirche St. Bartholomäi in Dornheim für die Feierlichkeiten war wohl geplant. Die halbe Verwandtschaft lebte in Arnstadt oder war es gewohnt hierher zu Familienfeiern zu kommen. Und Pfarrer Johann Lorenz Stauber wiederum, der das Paar traute, ein guter Freund Sebastians.
Traukirche Dornheim
Wechmar
Text folgt in Kürze
Wandersleben
Text folgt Kürze
Christian Friedrich Hunold_Menantes
Merian, Menantes; Merian/H.P.Haack, Olaf Simons // Wikipedia Commons unter cc-by-sa, Stadtverwaltung Arnstadt (1)